Die diesjährigen Stückepreisträgerinnen werden in einer Lesung in der Kakadu Bar ihre Stücke vorstellen.
Dramatikpreis an Kathrin Röggla
Kathrin Röggla ist eine hellwache Beobachterin unserer Gegenwart, eine forcierte Denkerin und Aktivistin. Dabei schreibt sie nah am Puls der Zeit, an ihren Überforderungen und ihrem Optimierungswahn; kein Wunder, dass ihre Figuren, sich selbst fremd geworden, gerne im Konjunktiv oder in der dritten Person von sich selbst sprechen. Für ihre Stücke recherchiert Röggla vor Ort, führt Interviews mit übernächtigten IT-Leuten und findet in der rastlosen New Economy Alkoholismus, Wirklichkeitsverlust und Perversion, Panik und Gespenster. Sie befragt hoch verschuldete Konsument*innen und schaut den Medien mit ihrer Katastrophenlust aufs Maul. Doch ihre Stücke sind keine Dokumentardramen, sondern „außer Rand und Band geratene Wunderwürfel“ (Röggla); sie haben Rhythmus, Bildlichkeit und Gestik, sind artistische Zuspitzungen und hoch reflektierte Antworten auf das, was die Autorin wahrnimmt.
Erster Stückepreis an Ariane Koch
Die toten Freunde (Dinosauriermonologe)
Ariane Koch entwirft eine post-apokalyptische Fabel: Nach dem Aussterben der Menschheit sind die Dinosaurier im Zwist mit den Birken zwischen Dystopie und Evolutionsgeschichte in der Unsterblichkeit gefangen. Der letzte, sterbliche Mensch landet zu wissenschaftlichen Zwecken aufgeschnitten und aufbewahrt im Museum. Was einmal so schön war, der eine Birke umarmende Mensch, ist nurmehr die Erinnerung an eine untergegangene Ära. Ebenso sprachgewaltig wie heiter schafft Ariane Koch ein Nachdenken über die eigene Spezies, auf der Schwelle in den Untergang. Sie setzt Narrative der Utopie, die womöglich dem Erinnerungsstrom einer Altenheim-Bewohnerin entstammen, und lotet aus, unter welchen Bedingungen wir zu Zuschauenden oder zu Eingreifenden werden.
Zweiter Stückepreis an Patty Kim Hamilton
Peeling Oranges
Moon Jae kehrt nach langer Zeit nach Hause zurück: zu ihrer Mutter Umma, die im Sinne der verstorbenen Großmutter an den koreanischen Wurzeln festhält und entsprechende Erwartungen an ihre Töchter hegt, und zu Luna, der jüngeren Schwester, die im Gespräch mit den Geistern ihrer Ahnen ebenso wie mit dem Geist von Frida Kahlo ihren ganz eigenen Weg sucht. So tief die drei Frauen miteinander verbunden sind, durch Zellen und Erinnerungen, so grundverschieden sind ihre Vorstellungen vom Leben. Patty Kim Hamilton hat mit Peeling Oranges ein eindringliches, zartes, atmosphärisches Stück geschaffen, das mit großem Feingefühl von der Suche nach Zugehörigkeit und Autonomie, von Liebe und großem Schmerz, von den Geistern der Vergangenheit und den Wünschen an die Zukunft erzählt.
Dritter Stückepreis an Svenja Viola Bungarten
Die Zukünftige
Eine Normalfamilie, irgendwo im ländlichen Raum. Die Eltern Zahnärzt*innen von unsicherem Wohlstand und einem Familienglück, das alsbald bröckeln wird: Erst fällt der Vater aus, „Nervenzusammenbruch“, sagt die Mutter. Dann geht die Praxis pleite – und die Ehe in die Brüche. Die Zwillingstöchter teilen sich mit den Eltern auf, verbringen fortan ungleiche Leben. Und in diese private Katastrophe schwappt, wie beiläufig, ständig die Erderwärmung hinein. Svenja Viola Bungarten ist mit Die Zukünftige ein komplexes, raffiniertes, sprachlich dichtes und höchst musikalisches Stück gelungen, das persönliche und globale Katastrophenzustände elegant miteinander verwebt.